Freitag, 16. November 2007

4. Bericht und das Problem Wasser

Wir schreiben heute Montag, den 12. November, ich sitze in meinem Zimmer und versuche die gemachten Erfahrungen der letzten Zeit Revue passieren zu lassen und aufzuarbeiten. Um euch die Möglichkeit zu geben meine Gedanken und meine Gefühle ein bisschen mehr zu verstehen schreibe euch jetzt einen weiteren Bericht mit ein paar Impressionen aus unserem aktuellen Leben.

Als erstes fällt mir unsere Wassersituation ein: Normalerweise bekommt man hier alle 3 oder 4 Tage neues Wasser durch eine Art Wasserleitung, deswegen haben wir zum Beispiel einen Wassertank auf dem Dach, so dass wir eigentlich kaum Probleme mit dem Wasser haben. Wir können also duschen, das WC mit Wassereimern spülen, Geschirr waschen und fürs Trinken muss man sich sowieso große Kanister Trinkwasser kaufen, da das Leitungswasser einfach nicht sauber genug ist. Die gerade aufgezählten Möglichkeiten, welche zum Beispiel für den Großteil der deutschen Bevölkerung schon selbstverständlich sind, gehören hier teilweise schon zum Luxus, welchen wir auch nur genießen können solange es Wasser im Tank gibt. Die Situation der Bevölkerung zum Beispiel im Batey La Lechería ist noch prekärer und das Leben ist geprägt von der Knappheit der Ressource „Wasser“.
Gerade hier machen wir eine neue Erfahrung, die uns zeigt, wie viel Glück all die Menschen haben, die sich keine Gedanken und Sorgen um Wasser machen müssen. Wir leben inzwischen schon in der DRITTEN Woche !!!! ohne Wasser, durch den Tropensturm Noel hat sich die Wassersituation auf dieser Insel noch mehr verschlechtert, so wurden durch die Fluten nicht nur Hab und Gut vieler Menschen zerstört, sondern auch große Bestände an einigermaßen sauberen Wasser verdreckt. Soviel wir wissen hat ein Großteil der Stadt Los Alcarrizos, also mehrere zehntausende Menschen, seit Noel bis heute noch kein Wasser bekommen, Bisher sind das fast 3 Wochen und es gibt viele Stimmen, die sagen, dass es noch 2 Wochen länger dauern könnte. Für die Regierung stellt dies auch ein enormes Problem dar, so wird versucht die Bevölkerung mit Lastwagen und Wassertanks zu versorgen, was aber nur einigermaßen funktioniert, wir hatten bisher zumindest nur einmal das Glück an ein bisschen Wasser zu kommen. Am Anfang war Trinkwasser auch an ein paar Tagen ausverkauft , inzwischen muss man es aber nicht mehr rationieren. An den andauernden Wassermangel sind wir aber schon gewöhnt, so wird nur noch mit einem Wasserkrug geduscht, das WC wird mit gebrauchten Duschwasser und Geschirrspülwasser gespült umso möglichst effizient das restliche Wasser zu nutzen. Dennoch hoffen wir natürlich jeden Tag auf einen neuen Lastwagen der Regierung oder auf ein endlich wieder funktionierendes Wasserleitungssystem. Für die Menschen in den Bateys ist es teilweise noch nicht einmal etwas Besonderes, da sie oftmals nur alle 4 Wochen wieder frisches Wasser bekommen, dennoch hat sich die Situation nach Noel bei weitem noch nicht normalisiert. Ein Grund hierfür sind zum Beispiel die enormen Moskitobestände, welche für die Verbreitung des Dengue- Fiebers mitverantwortlich sind. Letzten Freitag haben wir versucht bis spät in den Abend mit unserer Turnier-Mannschaft zu trainieren und man muss wirklich sagen, dass es bei dem Versuch blieb, da man einfach im Sekunden-Takt von Moskitos gestochen wurde und man eher damit beschäftigt war sich vor den Moskitos zu retten.
Naja dennoch belegen wir im Moment bei dem am letzen Sonntag gespielten Turnier die Plätze 2 und 3 und machen uns noch alle Hoffnungen auf den Turniersieg, welcher nächsten Sonntag ausgespielt wird. Um dies aber zu erreichen muss sich vor allem unsere erste Mannschaft noch steigern, daran arbeiten wir gerade gezielt im Training und sind guter Dinge, dass wir am kommenden Sonntag den Pokal holen werden.
Jetzt wisst ihr ja eigentlich fast schon bescheid was wir das letzte Wochenende mit unseren Projektkids gemacht haben. Auch am Samstag war von Freizeit eigentlich keine Spur, da ich mich bereits um 7 Uhr auf dem Weg zu einem Treffen mit einer Organisation gemacht habe, welche mit Haitianischen Flüchtlingen in den Bateys von Santo Domingo arbeitet. An diesem Tag erhielt ich von einigen Mitarbeitern der Organisation einen sehr guten Einblick in ihre Arbeit und in die Möglichkeiten mit denen man den Haitianischen Flüchtlingen helfen kann. Für das nächste Wochenende stehen schon wieder weitere Treffen an um so noch mehr über die Flüchtlingsarbeit hier zu erfahren, so dass ich spätestens im Dezember mit der Arbeit in unseren Bateys zusammen mit einer US-Amerikanischen Freiwilligen beginnen kann.
Den Großteil des Treffens verbrachten wir in „Guachupita“, eines der ärmsten Barrios der Hauptstadt. Es liegt direkt am Fluss „Ozama“, welcher Santo Domingo in 2 Teile teilt, und war deswegen von dem Tropensturm Noel extrem betroffen. Hunderte Häuser standen und stehen teilweise immer noch unter Wasser, ganze Häuser sind abgerissen oder voll mit Schlamm. Durch Besuche bei Familien mit haitianischer Abstammung konnte ich mir deswegen ein sehr guten Eindruck von der Situation vor Ort machen und denke noch sehr oft an die Erfahrungen, welche sich in meine Gedanken eingeprägt haben. Eine sehr bewegende Erfahrung war zum Beispiel der Besuch eines 30- jährigen Mannes, welcher sein Haus direkt neben dem Fluss hat, weshalb es komplett mit Schlamm verschmutzt ist. Es war wohl nicht nur die Zerstörung seines Hauses , sondern auch die psychischen Erfahrungen und Belastungen, die er während dieser extremen Zeit gemacht hat, welche ihn während unseres Besuches zum Weinen gebracht haben. Also wenn ich in diesem Kontext von „uns“ rede, dann spreche ich von den Mitarbeitern der Organisation, einer Anwältin, einer anderen Freiwilligen aus Haiti und mir. Mit diesen Menschen werde ich wohl die nächste Zeit noch öfters am Wochenende nach Guachupita schauen, weil dort sehr viele Familien wohnen, welchen bereits erfolgreich beim Kampf für ihre Rechte geholfen wurde oder noch geholfen wird. Eine weitere Geschichte aus dem Leben dieser Familien wurde uns von einem 20 jährigen Jungen erzählt. Dieser hat auch keine offiziellen Papiere und kann deswegen zum Beispiel nur sehr bedingt Arbeit suchen oder sich frei in den Straßen der Hauptstadt bewegen, denn jedes Mal wenn er von der Polizei aufgegriffen wird, bedeutet das für ihn Gefängnis oder zumindest einen eintägigen Aufenthalt auf der Polizeiwache. Seine Eltern haben während unseres Besuchs auch sehr eindrucksvoll beschrieben wie sie sich fühlen, wenn ihr Sohn mal wieder abends nicht nach Hause kommt und sie sich vergeblich fragen, was wohl wieder passiert sein könnte.

Gegen Ende meine Berichtes möchte ich noch einmal konkret auf das Thema Wasser zurückkommen. Die Knappheit der Ressource Wasser ist in vielen Teilen unserer Erde eines der größten Probleme, was leider von sehr vielen Menschen nicht wahrgenommen wird. Hier ein paar Zahlen einer Broschüre der Deutschen Welthungerhilfe um zu verdeutlichen wie prekär die Lage ist:

5 Millionen Menschen sterben jährlich durch Krankheiten mit Bezug zu unreinem Wasser oder fehlendem Wasser
2.3 Milliarden Menschen leiden an Krankheiten durch unreines Trinkwasser
60% der Kindersterblichkeit sind auf Krankheiten wegen dreckigem Trinkwasser zurückzuführen


Doch glücklicherweise gibt es auch einige Organisationen, die sich um die Menschen kümmern, welche keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Zum Beispiel möchte ich hier kurz meine Freunde von „Viva con agua de Sankt Pauli“ erwähnen, welche durch ihr Engagement und ihre Zusammenarbeit mit der Deutschen Welthungerhilfe in Lateinamerika und Afrika für den Bau von Trinkwasserbrunnen zuständig sind. In unseren jetzigen Situation muss ich sehr oft an Euch und Eure Arbeit denken und möchte Euch einfach nur ein richtig großes Dankeschön für Eure Arbeit aus der Dominikanischen Republik in Richtung Hamburg schicken. Wer sich mehr über die Arbeit dieser innovativen und unkonventionellen Hilfsorganisation informieren möchte, kann die offizielle Homepage www.vivaconagua.de besuchen. Im Anhang meiner Mail befindet sich auch das Skript eines von mir gemachten Vortrags über „Viva con Agua de Sankt Pauli“ mit den wichtigsten Daten zu den Projekten und zur Organisation.

Ok das war es schon wieder, dieses Mal ging es vor allem speziell um das Thema „Wasser“ und mein letztes Wochenende. Ich hoffe, ihr habt weiterhin Interesse an meinen Berichten und könnt euch zumindest ein bisschen in die Situation hier einfühlen. Wer das alles hautnah erleben möchte, kann ja gerne vorbei kommen, ihr seid alle herzlich eingeladen : ))


Geht es auch allen gut?? Erzählt mal was?? : )) Hier weiterhin alles im grünen Bereich, euch noch eine schöne Woche und einen schönen Winteranfang.

Liebe Grüße Thommi aus Los Alcarrizos

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